Aktuelle Tipps: September 2016

Kindergeld für Elternteile, die im EU-Ausland leben

Lebt ein Kind im EU-Ausland bei der geschiedenen Mutter, ist sie, nicht aber der in Deutschland lebende Vater kindergeldberechtigt, entschied der Bundesfinanzhof (BFH).

Ein in Deutschland wohnender deutscher Vater beantragte Kindergeld für seinen Sohn. Der Sohn lebte in Polen im Haushalt seiner Mutter, der geschiedenen polnischen Ehefrau. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil sie der Ansicht war, der Anspruch auf Kindergeld stehe dem Vater nicht zu. Kindergeldberechtigt sei die geschiedene Ehefrau, weil das Kind in ihrem Haushalt lebt. Dem stehe nicht entgegen, dass sie in Deutschland über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt.

Aufgrund einer unionsrechtlichen Vereinheitlichung der nationalen Regelungen zur sozialen Sicherheit ist bei Ansprüchen auf Familienleistungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten die gesamte Familie so zu behandeln, als würde sie in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Familienleistungen beansprucht werden (Wohnsitzfiktion).

Da das deutsche Kindergeldrecht nicht danach unterscheidet, ob die Eltern eines Kindes verheiratet sind oder nicht, ist auch die geschiedene Ehefrau Familienangehörige. Somit gilt sie als mit dem Kind in Deutschland lebend. Damit steht ihr der Anspruch auf Kindergeld zu. Denn nach deutschem Recht wird das Kindergeld bei getrennt lebenden Eltern vorrangig an den Elternteil ausgezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

Der BFH hatte zuvor in einem Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) klären lassen, ob das Unionsrecht tatsächlich eine solch weitgehende Fiktion beabsichtigt. Der EuGH entschied, dass die Wohnsitzfiktion zu einem Wechsel der persönlichen Anspruchsberechtigung von dem in Deutschland lebenden Elternteil zu dem im EU-Ausland lebenden anderen Elternteil führen kann. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn der im EU-Ausland lebende Elternteil keinen Antrag auf deutsches Kindergeld gestellt hat.

Die Entscheidung ist von allgemeiner Bedeutung für Fälle, in denen die Eltern eines Kindes in unterschiedlichen EU-Staaten leben und in keinem EU-Staat ein gemeinsamer Haushalt der Eltern und des Kindes besteht.

Inhaltsgleich hat der BFH in einem weiteren Urteil entschieden. Hier lebten die beiden Töchter des in Deutschland wohnenden Vaters bei ihrer in Griechenland lebenden Großmutter. Nach deutschem Recht kann ein Anspruch auf Kindergeld auch einem Großelternteil zustehen, der sein Enkelkind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Auch hier war zu fingieren, dass die Großmutter mit ihren beiden Enkelinnen in Deutschland lebte. Ein Anspruch auf Kindergeld steht somit ihr zu und nicht dem Vater.
 

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